„Die Verunsicherung auf dem Markt ist groß“
Inflation, hohe Baukosten, Lieferengpässe, Bürokratie – eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten bestimmen die aktuelle Diskussion. Auch wenn der Wohnungsmarkt weiterhin angespannt bleibt, sehen die Branchenexperten beim Roundtable der RP keinen Grund zur Panik.
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Düsseldorf ist ungebrochen hoch, das Angebot ist denkbar knapp. Diese Kombination treibt die Marktpreise seit Jahren nach oben. Die Preise für Eigentumswohnungen im Bestand sind hier im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Aus dem Postbank Wohnatlas geht ein Plus von 15,3 Prozent hervor. Einen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich haben sonst nur Hamburg und Köln zu verzeichnen. 2020 lag die Teuerung noch bei 9,4 Prozent, 2019 bei 7,8 Prozent.
Bei den absoluten Quadratmeterpreisen kommt Düsseldorf im Vergleich allerdings mit 5361 Euro nur auf Platz fünf, knapp vor Stuttgart und Köln. München liegt mit weitem Abstand vorn (9732 Euro pro Quadratmeter), es folgen Frankfurt am Main (6586) vor Hamburg (6489) und Berlin (5528).
Ein geringes Angebot, hohe Baukosten, Materialknappheit und strenge Bauvorschriften werden die Marktpreise auch weiterhin in die Höhe treiben. Darüber sind sich die Teilnehmer am Runden Tisch „Düsseldorfer Immobilienprojekte“ im Konferenzzentrum der Rheinischen Post einig. Die Analysen der Experten sprechen eine klare Sprache.
Thomas Trendelkamp, Leiter Projektentwicklung Düsseldorf der BPD Immobilienentwicklung GmbH, beobachtet eine große Verunsicherung am Markt. Derzeit realisiert BPD in Unterbilk das Projekt „Dachgarten Unterbilk“ mit 133 Eigentumswohnungen. „Entscheidend sind Faktoren wie Kostensicherheit und Bauzeit, was durch Materialknappheit erschwert wird. Unsere Kunden kriegen das sehr genau mit. Sie beobachten die steigenden Kosten und wollen gerade deshalb einen verlässlichen Partner an ihrer Seite“, sagt er. Immer mehr Interessenten richten laut Trendelkamp ihren Fokus zudem verstärkt auf das Umland mit Städten wie Willich oder Meerbusch.
Vorteil im Rheinland
Klaus Franken, geschäftsführender Gesellschafter der Catella Project Management GmbH, betont: „Inflation, unsichere Baupreise, Lieferengpässe – eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten bestimmen die aktuelle Diskussion. Aber der Immobilienmarkt reagiert nicht hektisch wie die Börse und ist langfristig ausgerichtet.“ Es gebe keinen Grund, in Panik zu verfallen. Er erinnert: „Wir haben einen großen Vorteil im Rheinland: Die Mieten sind langsamer gestiegen als die Löhne. Wir sind also nicht in einer Wohnungsnot. Das ist in Berlin oder München schon anders.“
Catella habe sich entsprechend neu aufgestellt und verfolge das Konzept „Bauen an der Schiene“. „Wir verdichten an den Bahnhöfen, damit Mieter zum Beispiel in 20 Minuten in Düsseldorf sein können, sich aber zugleich die Kosten für das Zweitauto sparen.“ Man müsse Düsseldorf größer denken, so Franken: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Mönchengladbach oder Erkrath sind Teil des Düsseldorfer Marktes. Dort habe ich zudem viel mehr Grünflächen als in Düsseldorf. Das heißt, jenseits der Stadtgrenze kann ich für weniger Geld mehr Platz bekommen.“
Holger Knille, Leiter Immobilienfinanzierungen der Stadtsparkasse Düsseldorf, findet ebenfalls optimistische Töne: „Wir haben den Vorteil, dass wir hier im Rheinland in einer großen Region leben, in der es durchaus auch erschwinglichen Wohnraum gibt, der nicht überteuert ist, sowohl im Neubau als auch bei Bestandsimmobilien. Insbesondere das Düsseldorfer Umland gewinnt hier weiter an Attraktivität.“
Neue Entwicklungen
Der vermehrte Umzug ins Umland wurde vor allem durch Corona befeuert, sagt Thomas Schüttken, Geschäftsführer der Böcker-Wohnimmobilien GmbH, und erläutert: „Durch Homeoffice können Menschen längere Wege zur Arbeit in Kauf nehmen, wenn sie seltener ins Büro fahren müssen. Auch das Bedürfnis nach mehr Platz oder mehr Geld ins Wohnen zu investieren, ist deutlich spürbar.“ Was die Preise insbesondere für Düsseldorf angehe, müsse man sich jedoch keine Illusionen machen. „Natürlich werden sie weiter steigen, weil die Nachfrage weiterhin extrem hoch ist und zu wenig gebaut wird. Trotzdem wird der Erwerb in Düsseldorf möglich bleiben.“ Allerdings müsse das Land die Eigentümer vor allem bei der Grunderwerbsteuer entlasten. Eine interessante Beobachtung hat in dem Zusammenhang Matthias Spormann gemacht. Der Geschäftsführer der Spormann Real Estate GmbH berichtet von einer zunehmenden Bereitschaft, auch eine Wohnung außerhalb der Stadt zu akzeptieren, wie in Willich zum Beispiel. „Es gibt aber auch innerhalb Düsseldorfs Stadtteile, die noch nicht so stark nachgefragt, aber durchaus auch interessant sind wie etwa Benrath, Wersten oder Eller. Die Entfernungen zum Stadtzentrum sind, verglichen mit den Verhältnissen in Hamburg oder München, minimal. Aber der Standort außerhalb hat natürlich nicht die kulturelle oder gastronomische Vielfalt wie die Düsseldorfer City. Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum unser Projekt ,Hinz&Kunz in Flingern so stark nachgefragt wird.“
Für Stefanie Anna Adams, Geschäftsführerin der Eckehard Adams Wohnungsbau GmbH, hat das klassische Stadtzentrum ohnehin an Bedeutung verloren. „Wer fährt von uns freiwillig samstags in die Innenstadt? Die Stadtteile sind meist alle selbst sehr attraktiv geworden“, sagt sie. Für das alltägliche Leben brauche man schlichtweg nicht mehr in die Stadt zu fahren. Auch Büro- und Wohnquartiere würden immer stärker gemischt.
Klaus Franken führt in dem Zusammenhang das Thema Mobilität ins Feld – „die zweitgrößte Ausgabenposition privater Haushalte“. Die Mehrkosten fürs Wohnen ließen sich hier wieder einfangen: „Wenn wir es schaffen, dass eine Familie das zweite Auto abschaffen kann, ist die Miete locker zu bezahlen.“ Die Vollkosten eines VW Golf betragen laut ADAC rund 500 Euro im Monat – vom Nettoeinkommen, rechnet er vor. „Wir setzen deshalb in unseren Projekten auf ÖPNV und Sharing-Angebote. Alle unsere Wohnungen haben ,Gleisanschluss, liegen direkt an Bahnhöfen.“
Die Lage bleibt also nach wie vor ein wichtiges Kaufkriterium. Doch noch etwas hat sich akut verändert, wie Thomas Trendelkamp erläutert: „Wir beobachten einen veränderten Flächenbedarf bei unserer Käuferschaft. Bei vielen ändern sich die Lebensumstände etwa durch Familienzuwachs oder vermehrtes Homeoffice.“ Häufig könne sogar durch den Verkauf der eigenen Wohnung das nötige Eigenkapital für eine größere Wohnung aufgebracht werden. „Dies ist vor allem dann möglich, wenn frühzeitig in Wohnimmobilien investiert wurde.“
„Alles ist gefragt“
Und welche Wohnungstypen sind besonders gefragt? Stefanie Anna Adams hat eine klare Antwort: „Alles ist gefragt, da das Angebot für jede Zielgruppe zu knapp ist.“ Holger Knille ergänzt: „Es gibt auch Nachfragen für Millionen Euro teure Häuser genauso wie nach der Zweizimmer-Wohnung.“
Matthias Spormann betont: „Es kommt vor allem auf effiziente Grundrisse an. Hierauf wurde in unserem aktuellen Projekt besonders geachtet. So fangen Drei-Zimmer-Wohnungen bereits bei 65 Quadratmetern an.“ Andreas Mauska, Geschäftsführer der Grafental GmbH & Co. KG, hebt hervor: „Die Durchmischung macht es, egal ob es sich um Zwei- oder Fünf-Zimmer-Wohnungen handelt.“ Vermehrt nachgefragt werde übrigens ein weiterer Raum oder zumindest eine Nische fürs Homeoffice.
Dass der Anteil der zahlungskräftigen Käufer in Düsseldorf nach wie vor besonders hoch ist, weiß auch Tobias Kotzorek, Leiter Akquisition & Verkauf bei der Ralf Schmitz GmbH, zu berichten: „Die Nachfrage nach sehr hochwertigen Wohnungen um 140 Quadratmeter ist ungebrochen.“ Ein geringes Angebot an qualitativ hochwertigen Neubauten führe jedoch zu einem Preisanstieg gebrauchter Immobilien.
Auch Stefanie Anna Adams rät zu einer Durchmischung verschiedener Wohngruppen und Zielgruppen. „Das steigert die Attraktivität für den Investor und das Leben im Quartier – für den Single bis zur vierköpfigen Familie.“ Hinzu kommt: „Heute kauft man nicht nur eine Immobilie im Leben. Immobilien passen sich dem Lebenszyklus an.“
Thomas Schüttken ergänzt: „Durchmischung ist auch für die soziale Nachhaltigkeit eines Quartiers wichtig – auch mit Blick auf altersgerechtes Wohnen. Selbst in Hochhäusern kann ich vertikale Dorfstrukturen schaffen mit Gastronomie, Pflegeeinrichtungen und Wohnen.“