Warum die Bauwirtschaft auf sinkende Zinsen hofft
Wohnimmobilienpreise fielen 2023 so stark wie nie, weil Bauzinsen und Baukosten so hoch waren. Was die NRW-Bauindustrie von der Politik fordert und warum sie auf Zuzug von Arbeitskräften angewiesen ist.
Offizielles Siegel vom Statistischen Bundesamt: Die Immobilienpreise sind 2023 so stark gefallen wie noch nie in diesem Jahrtausend. Wohnimmobilien hätten sich im Durchschnitt um 8,4 Prozent verbilligt, erklärten die Statistiker, verwiesen aber gleichzeitig darauf, dass sich der Rückgang im letzten Quartal bei einem Minus von 7,1 Prozent verlangsamt habe.
In den Großstädten seien die Preise stärker gesunken als auf dem Land, heißt es. In Zahlen: In den sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf kosteten Ein- und Zweifamilienhäuser im letzten Vierteljahr 2023 9,1 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum, Eigentumswohnungen 5,8 Prozent weniger. Die Daten auf dem Land: minus 6,9 (Häuser) und minus 2,8 Prozent (Wohnungen).
Nachdrückliche Belege für die Krise, die ausgelöst worden ist vor allem durch hohe Zinsen und Baukosten. Und die auch die NRW-Bauindustrie zu spüren bekommen hat. Aber die ist eine gespaltene Branche. Während das Geschäft mit Infrastrukturvorhaben 2023 zufriedenstellend verlief, ist der Hochbau und hier vor allem der Wohnungsbau zusammengebrochen. Dass die Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser um die Hälfte geschrumpft sind, trifft zwar vor allem die Handwerker. Aber auch bei den Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser habe es ein Minus von 28 Prozent gegeben, sagte Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes, unserer Redaktion. Und das hat dann auch Auswirkungen auf große und mittelständische Unternehmen in der Branche. Aber: Wenn die Zinssenkungen kämen und die Baukosten zumindest nicht weiter stiegen, würden auch die Bedingungen für Investoren besser, glaubt Wiemann.
Gleichzeitig trifft die Krise im Wohnungsbau andere Bundesländer deutlich stärker. „Für 2024 sind in NRW wieder 1,7 Milliarden Euro an öffentlicher Wohnraumförderung geplant, das ist der größte Betrag deutschlandweit“, sagt Verbandspräsident Daniel Strücker. Außerdem sei der Auftragseingang im Wohnungsbau in NRW nur um 3,5 Prozent gesunken, während die Zahlen bundesweit um fast 20 Prozent gefallen seien, ergänzt Wiemann. „Wir gehen auch davon aus, dass die Delle in Nordrhein-Westfalen ab dem zweiten Halbjahr langsam wieder abgebaut wird“, hofft Strücker.
Abseits der Zinsentwicklung muss sich aus Sicht der Bauindustrie auch die Politik bewegen, damit die Preise erträglich bleiben und die Nachfrage wieder steigt. „Die Mindeststandards beispielsweise für Stellplätze, Schallschutz und Balkone müssten gesenkt werden“, fordert Strücker. Auch Tiefgaragen und Fahrstühle seien nicht immer zwingend. So könnte man einen Teil zur Absenkung der Baukosten beitragen. Zudem müsste die Umnutzung von Büro- zu Wohngebäuden erleichtert werden, und die Genehmigungsverfahren müssten deutlich beschleunigt werden. „Das dauert viel zu lang, in großen Städten wie Düsseldorf und Köln mitunter zwei Jahre“, so Strücker. Sein Vorschlag: Ein Bauantrag gilt als genehmigt, wenn es nach drei Monaten noch keinen Bescheid gibt. Dazu müssten Bauherren aber natürlich genehmigungsfähige Anträge vorlegen. „Und auch die digitale Bearbeitung von Bauanträgen muss umgesetzt werden“, so Wiemann.
Im Straßenbau (einer der Bereiche, die deutlich besser gelaufen sind als der Wohnungsbau) sieht die Branche auch Änderungsbedarf. Dort seien in den vergangenen beiden Jahren in NRW etwa 66 Millionen Euro Bundesmittel für Erhalt und Neubau von Straßen nicht abgerufen worden. Das Land dürfe nicht nur Erhaltungsmaßnahmen, sondern müsse auch den Neubau vorantreiben. In Sachen Nachhaltigkeit setzt sich die Branche unter anderem dafür ein, dass die öffentliche Hand bei Ausschreibungen nicht nur den Preis, sondern auch die CO2-Emissionen als Kriterium nimmt. „Außerdem sagen wir nein zur Rohstoffabgabe“, so Strücker. Und mit Blick auf neue Windkraftanlagen müssten Schwerlasttransporte schneller genehmigt werden.
Aktuell hat die Branche in NRW 140.000 Beschäftigte. Von denen dürften auch wegen der Verrentung der Baby-Boomer-Jahrgänge in fünf Jahren 40.000 weg sein, schätzt Wiemann. Diese Lücke müsste gefüllt werden, vermutlich auch durch Zuzug von Arbeitskräften. Aktuell beschäftige das Baugewerbe bundesweit rund 900.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, etwa ein Fünftel davon seien ausländische Arbeitnehmer, so Wiemann. „In unserem Gleisbauunternehmen Eiffage Infra-Rail arbeiten Menschen aus 20 Nationen“, sagt Strücker, „viele Baustellen würden ohne diese Kollegen stillstehen.“