Was Energieausweise leisten können und wo ihre Grenzen sind
Ein Energieausweis soll Auskunft über den möglichen Energieverbrauch einer Immobilie für Heizung und Warmwasser geben. Hilfreich und sinnvoll in Zeiten massiv steigender Energiepreise. Doch was genau kann das Papier leisten? Wir haben Fragen und Antworten rund um den Ausweis zusammengestellt.
Auf einen Blick anzeigen, wie viel Energie ein Haus oder eine Wohnung für Heizung und Warmwasserbereitung verbraucht: Das verspricht der Energieausweis. Angesichts der gestiegenen Energiepreise ist das eine durchaus interessante Information. Schon optisch soll deutlich werden, wo die Immobilie energetisch steht. Die Skala reicht von grün bis rot, von den Effizienzklassen H bis A+.
Nicht jeder Eigentümer einer Immobilie muss einen Energieausweis ausstellen lassen. Er ist nur bei einem Eigentümerwechsel oder einer Neuvermietung relevant. Wer sich neu einmieten oder eine Immobilie kaufen will, hat Anspruch auf Einsicht in den Energieausweis. Die Entscheidung für oder gegen einen Kauf oder Mietvertrag beeinflusst der Energieausweis aber in den wenigsten Fällen.
„Kein Wunder, er sagt ja auch kaum etwas über den realen Verbrauch aus“, sagt Marc Förderer vom Bauherren-Schutzbund in Berlin. „Ein Haus oder eine Wohnung ist kein Kühlschrank, bei dem eine bestimmte Effizienzklasse für konkrete Verbrauchswerte in Kilowattstunden steht.“ Beim Energieausweis ist alles viel komplizierter, Farbskala und Effizienzklassen sind allenfalls eine grobe Orientierung.
Verbrauchsausweis bildet tatsächliches Nutzungsverhalten ab
Formal ist aber erst einmal alles einfach: Vermieter oder Verkäufer von Immobilien können wählen, ob sie sich von geschulten Experten einen Verbrauchsausweis oder einen Bedarfsausweis ausstellen lassen. Fachleute finden Interessierte zum Beispiel unter www.energie-effizienz-experten.de. Der Verbrauchsausweis wird oft bei Bestandsimmobilien eingesetzt, wo bereits Verbrauchszahlen gemessen werden konnten. Bei Neubauten ist ein Bedarfsausweis Pflicht, er kann aber auch bei anderen Immobilien verwendet werden.
Für die beiden Ausweise gibt es unterschiedliche Berechnungsgrundlagen. Beim Verbrauchsausweis wird der Energiebedarf anhand des tatsächlichen Verbrauchs ermittelt. Am Ende der Rechnung steht eine Angabe in Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche, an der sich künftige Nutzer orientieren können. Für den Verbrauchsausweis müssen die Adresse und die Nutzfläche, vor allem aber die Heizkosten- und Verbrauchsabrechnungen aus drei aufeinanderfolgenden Jahren vollständig vorliegen. Dabei darf das Ende dieses Abrechnungszeitraums höchstens 18 Monate zurückliegen.
„Allerdings bildet der Verbrauchsausweis lediglich das Nutzerverhalten der letzten Jahre ab“, gibt Hans Weinreuter, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz zu bedenken. Ob das dem eigenen Verhalten ähnelt, ist unklar. Vielleicht war der Vormieter tagsüber arbeiten und hat die Heizung abends hoch- und morgens runter gedreht. Dann hat er einen viel niedrigeren Verbrauch als Rentner oder eine Familie mit Kindern, die tagsüber viel zu Hause sind.
Oder umgekehrt, der Vormieter hat die Heizung besonders hoch gedreht, die Nachfolger sind aber sparsamer und ziehen bei moderaten Heizungseinstellungen lieber Pullover und Socken über. „Die Aussagekraft dieser Methode ist also sehr begrenzt“, sagt Hans Weinreuter. „Der Zustand der Heizung und des Gebäudes spielt keine Rolle.“
Bedarfsausweis ergibt sich aus theoretischer Berechnung
Bei der anderen Berechnungsmethode bleibt dagegen der tatsächliche Verbrauch außen vor. Dafür rückt das Gebäude in den Vordergrund. Beim Bedarfsausweis ermittelt ein Sachverständiger aus den technischen Daten der Immobilie, wie hoch der Energiebedarf aufgrund ihrer Bauweise ist. In die Berechnung fließen Angaben über Gebäudetyp und Gesamtwohnfläche, Wärmedämmung und die Haustechnik ein. Sogar Klimabedingungen werden berücksichtigt.
„Allerdings wird dabei in ganz Deutschland ein einheitlicher Wert zugrunde gelegt, der das Wetter in Potsdam abbildet“, sagt Hans Weinreuter. „Das verzerrt das Bild erheblich, denn in den Alpen oder an der rauen See herrschen nun mal andere Wetterbedingungen als in Brandenburg, und die Menschen müssen anders heizen.“
Da Bedarfs- und Verbrauchsausweise häufig deutlich voneinander abweichen, liegt der Wunsch nahe, die Berechnungsgrundlagen mehr an die Realität anzupassen. „Ein Energieausweis, der sowohl den Verbrauch - also das reale Nutzerverhalten - als auch die baulichen Gegebenheiten des Gebäudes sowie die regional unterschiedlichen Wetterbedingungen berücksichtigt, wäre aussagekräftiger“, sagt Corinna Kodim vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland.
Für Bedarfseinschätzung beide angegebenen Kennzahlen prüfen
Im Energieausweis werden der Endenergiewert und der Primärenergiewert der Immobilie ausgewiesen. Beide sind wichtige Kennzahlen für Nutzer, aber nicht auf Anhieb zu verstehen. Der Endenergiewert gibt an, wie viel Energie jährlich pro Quadratmeter benötigt wird, um den Wohnraum zu beheizen und mit Warmwasser zu versorgen.
Der Primärenergiekennwert bildet ab, ob und in welchem Maße fossile Brennstoffe oder erneuerbare Energien genutzt werden. Er ergibt sich aus der Multiplikation des Endenergiewertes mit einem sogenannten Primärenergiefaktor.
„Wird das Haus mit regenerativen Energien beheizt, ist der Primärenergiekennwert kleiner als der Endenergiekennwert, denn erneuerbare Energien haben Primärenergiefaktoren, die deutlich unter eins liegen“, sagt Marc Förderer. So wird zum Beispiel der Endenergiewert eines Gebäudes mit Pelletheizung mit einem Faktor von 0,2, der Endenergiewert eines Gebäudes mit Gasheizung jedoch mit einem Faktor von 1,1 multipliziert.
Ein guter Primärenergiewert allein muss aber nicht bedeuten, dass sparsam geheizt wird. So kann ein Haus mit einer Pelletheizung leicht einen guten Primärenergiekennwert erreichen, bei unzureichender Wärmedämmung aber dennoch hohe Energiekosten verursachen. Umgekehrt kann eine moderne Gasheizung in einem gut gedämmten Haus sehr wirtschaftlich arbeiten. „Wichtig ist immer, den End- und den Primärenergiewert im Blick zu behalten“, so Förderer.
Nachfrage nach effizienteren Gebäuden wächst
„Der Energieausweis spielt bisher bei der Entscheidung für oder gegen eine Mietwohnung oder dem Kauf eines Hauses eher eine Nebenrolle“, sagt Corinna Kodim. Er enthält auch keine Informationen über die tatsächlichen Heizkosten der Wohnung oder des Hauses. Das sagten eher die Höhe der Nebenkosten oder die Warmmiete aus.
Angesichts der rasant steigenden Energiekosten beobachte Haus & Grund aber eine zunehmende Nachfrage nach Wohnungen in effizienteren Gebäuden, die zwar teurer seien, in denen die Heizkosten aber in Zukunft beherrschbar blieben. Ein guter aussagefähiger Energieausweis kann für Käufer oder Mieter Orientierung geben. „Eigentümern hilft er aber wenig, da er keine brauchbaren Informationen über sinnvolle Sanierungsmaßnahmen enthält“, so Kodim.
Einmal ausgestellt ist der Energieausweis zehn Jahre lang gültig.